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Der Mythos des perfekten Timings
Jeder Investor hat schon davon geträumt, den perfekten Trade zu machen – also günstig zu kaufen und schnell mit Gewinn zu verkaufen.
Jeder Investor hat schon davon geträumt, den perfekten Trade zu machen – also günstig zu kaufen und schnell mit Gewinn zu verkaufen.
Der Reiz des sogenannten Market Timings, also der vermeintlich magischen Fähigkeit, Marktbewegungen punktgenau vorherzusagen, ist verlockend. In der professionellen Welt spricht man vom „perfekten Timing“ – eine Eigenschaft, die fast wie ein Blick in die Kristallkugel erscheint: in die Zukunft schauen, rechtzeitig handeln und maximale Gewinne erzielen.
So verführerisch diese Vorstellung auch sein mag – die Realität sieht meist anders aus. Gelegentlich mag das Glück auf der Seite des Anlegers stehen und kurzfristige Erfolge sind möglich. Doch in der Regel handelt es sich dabei eher um glückliche Zufälle – sogenannte „Lucky Punches“ – als um eine systematische Fähigkeit zur Market Timing Perfektion.
Market Timing ist nicht so einfach, wie nur zu raten, ob der Aktienmarkt als Nächstes steigen oder fallen wird – es ist weitaus komplexer. Die Herausforderung liegt in der Vielzahl von Faktoren, die die Kapitalmärkte beeinflussen: von Wirtschaftsdaten über geopolitische Ereignisse, vom irrationalen Herdenverhalten der Anleger bis hin zu unvorhersehbaren „Black Swan“-Ereignissen, um nur einige zu nennen. Dieses dichte Netz miteinander verflochtener Variablen macht es nahezu unmöglich, das Timing dauerhaft korrekt zu treffen – selbst für die fortschrittlichste künstliche Intelligenz.
Ein genauerer Blick auf die Entwicklung des breiten US-Aktienmarktindex S&P 500 zeigt, dass es zwischen 2015 und 2024 (von Schlusskurs zu Schlusskurs) nur zwei Korrekturen mit Rückgängen von über 20 % gab: einen Einbruch von 26,7 % zwischen Februar und März 2020, ausgelöst durch die COVID-19-Panik, sowie einen Rückgang von 21,8 % von Januar bis Juni 2022, verursacht durch aggressive Zinserhöhungen der Zentralbanken als Reaktion auf stark steigende Inflation. Diese seltenen und abrupten Kursrückgänge verdeutlichen, wie schwierig – wenn nicht gar unmöglich – es ist, Ausstiege und Wiedereinstiege an den Märkten über längere Zeiträume hinweg zuverlässig zu timen.
Market Timing geht oft Hand in Hand mit einer weiteren Angewohnheit: dem Panikverkauf. Dieser tritt auf, wenn Anleger in Reaktion auf plötzliche, schwere Ereignisse – wie den Ausbruch eines bewaffneten Konflikts oder einer globalen Pandemie – überstürzt ihre Anlagen liquidieren, weil diese Ereignisse massiv auf die Aktienmärkte drücken. In solchen Extremsituationen fürchten viele, ihr investiertes Kapital zu verlieren, und greifen zu dem, was wie Rettung erscheint: Sie verkaufen in Panik, um ihr Vermögen in Form von Kontoguthaben zu sichern. Auf den ersten Blick mag das vernünftig erscheinen. Bei genauerem Hinsehen kann ein Panikverkauf jedoch deutlich mehr Schaden anrichten, als man zunächst vermutet.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass auf starke Markteinbrüche oft schon nach kurzer Zeit deutliche Erholungen folgen. Eine Investition in den S&P 500 ohne jegliche Transaktionen zwischen 2015 und 2024 erzielte eine durchschnittliche Jahresrendite von 10,9 %. Werden jedoch nur die fünf besten Handelstage – das sind lediglich 0,2 % aller Handelstage – ausgeschlossen, sinkt die Rendite auf 7,0 %. Werden die zehn besten Tage ausgeschlossen, also nur 0,4 % der gesamten Handelszeit, fällt die Rendite sogar auf 4,5 % – und wird damit mehr als halbiert. Das zeigt eindrücklich, wie sehr der Versuch, den Markt zu timen, und das Reagieren auf temporäre Rückschläge die langfristigen Ertragschancen schmälern können.
Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Marktturbulenzen Anfang April 2025. Präsident Trump kündigte am sogenannten „Liberation Day“ hohe Zölle auf Importe aus mehreren Ländern an, was Ängste vor einem globalen Handelskrieg auslöste. Der S&P 500 brach innerhalb kurzer Zeit um rund 12 % ein. Doch nur wenige Tage später wurden die Zölle für 90 Tage ausgesetzt, um Verhandlungen über Handelsabkommen mit den USA zu ermöglichen – und der S&P 500 erholte sich rasch wieder auf das Niveau vor der Korrektur. Diese schnelle Kehrtwende unterstreicht die Gefahr von Panikverkäufen: Wer in Phasen starker Volatilität emotional reagiert, realisiert häufig Verluste und verpasst womöglich die ebenso schnelle Erholung danach.
Vernünftige, langfristig ausgerichtete Vermögensverwaltung hingegen setzt auf eine strategische Asset-Allokation mit dem Fokus auf Diversifikation über verschiedene Anlageklassen und Regionen hinweg. In einem klassischen „Ausgewogen“-Mandat dient der S&P 500 beispielsweise als Referenz für die Entwicklung der US-Aktien im Portfolio. Dieses neutrale Gewicht bildet das Fundament der Anlage und ist auf den gesamten Anlagehorizont des Anlegers ausgerichtet. Es unterstützt einen pragmatischen und disziplinierten Ansatz – selbst in turbulenten Marktphasen – indem es hilft, an den gemeinsam mit dem Kunden definierten langfristigen Anlagezielen festzuhalten.
Das Ziel eines Vermögensverwalters besteht darin, durch taktische Anpassungen in der Allokation der Anlageklassen einen Mehrwert zu schaffen – basierend auf ökonomischen Daten und fundierter Analyse. Solche Anpassungen können beispielsweise in einer Über- oder Untergewichtung bestimmter Anlageklassen bestehen, erfolgen jedoch stets mit einem langfristigen Blick und dem Anspruch, den Markt über mehrere Jahre hinweg zu übertreffen.
Getreu dem Motto „Rom wurde nicht an einem Tag erbaut“ basiert dieser Ansatz auf Geduld. Wer investiert bleibt, profitiert vom langfristigen Aufwärtstrend der Märkte und vom Zinseszinseffekt – Vorteile, die durch aktives Daytrading leicht zunichtegemacht werden können. Nachhaltiger Vermögensaufbau ist ein langfristiges Vorhaben. Er gleicht eher einem 42-Kilometer-Marathon als einem 100-Meter-Sprint. Geduld und Disziplin sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.
In einer schnelllebigen Welt ist der Reiz von perfektem Timing und schnellen Reaktionen gross. Doch echter Wohlstand entsteht über die Zeit. Statt in die Falle impulsiven Handels zu tappen, sind es strategisches Management, diversifizierte Allokation und disziplinierte Umsetzung, die den Weg zu dauerhaftem Erfolg ebnen.
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